Westweg – Tag 5

Tag 5, Zuflucht – Hausach, 36km sollten es sein, aber….

…meine Blasen sagen klar und deutlich „heute nicht“. Würde ich das heute durchziehen, würde die Tour mit hoher Wahrscheinlichkeit in Hausach für mich enden. Letztes Jahr wahr auf Grund des Wetters dort nach den 36 Kilometern für mich Schluss.

Aua 🙁

DIESMAL NICHT. Diesmal werden meine Leiden nicht der Grund eines Abbruches sein. Das habe ich mir fest vorgenommen. Ich kenne die Etappe bereits und habe so auch nicht übermäßiges schlechtes Gewissen heute das ganze etwas abzukürzen. Ich lauf deshalb nur bis zur Alexanderschanze und biege dann entlang des Grenzweges nach Kniebis ab. Bei der Alexanderschanze gibt es tatsächlich eine Stempelstelle ohne Tor. Den drück ich mir noch fix in meinen Wanderpass. Der Weg nach Kniebis führt entlang der ehemaligen Grenze zwischen Fürstenberg und Württemberg. Der mittelalterliche Fahrweg mit seinen tiefen Einkerbungen, die durch hunderte von Holzrädern entstanden sind, ist teilweise noch gut zu erkennen.

Noch mal Fernblick, dann Busglück

Langes Schuften für die Rillen

In Kniebis nehmen ich nach etwas Wartezeit den Bus nach Freudenstadt. Ergo waren es heute nur 5,5km. Das wird mir und meinen Wehwehchen guttun. Von Freudenstadt geht es dann weiter mit der Bahn nach Hausach. Die Bahnstrecke führt durch schöne Landschaften und kleinen Städtchen mit vielen Fachwerkhäusern. Besonders in Schilfbach wirkt die Altstadt vom Zug aus wunderschön. Ich wäre am liebsten ausgestiegen aber ich nehme die Kleinstadt für ein anders mal ins Programm. Vielleicht mal den Ostweg laufen, der geht glaub ich durch das Städtchen.

Mittelalterliches und Moderne

Dafür bin ich schon um halb eins in Hausach. Das Westwegportal noch schnell mitgenommen, als Bild versteht sich, und ich kann mich auch schon direkt im Hotel einchecken.

Zwei Tore in unter zwei STunden

Kurz die Klamotten wechseln, ein paar Sachen waschen und dann raus auf ein Eis. Bei dem Traumwetter einfach ein Muss. Aber noch habe ich ein wenig Elan in den Beinen um noch ein Stück die Hauptstraße entlang zu flanieren. Ich schlendere bis zu der Stelle an der der Westweg zur Burg hoch abzweigt. Dabei gehe ich auch mal rechts und links durch die Seitenstraßen auf der Suche nach einem etwas ruhiger gelegenen Café. Die Hauptstraße ist doch recht befahren und laut. Da mag ich nicht direkt dran sitzen.

Noch am Bimmeln , ich am Bummeln

Ich muss sagen, manchmal hält das Universum schon komische Fügungen für einen bereit. Wäre ich heute nicht mit dem Zug gefahren und würde ich nicht hier so rumlatschen, würde ich jetzt mitten Hausach nicht Daniel wiedertreffen. Wir beide sind total perplex. Er wähnte mich etliche Kilometer hinter sich und ich dachte schon er ist über alle Berge. Toll. So kann ich mich jedenfalls nochmal herzlich von ihm verabschieden und alles Gute auf den langen Weg wünschen. Wir umarmen uns noch zum Abschied, denn es wird das letzte Mal sein, dass wir uns über den Weg laufen. Ich bin gefühlsmäßig total gerührt. Für jemanden, den ich nur wenige Tage, ach was sag, Stunden begleitet habe, habe ich erstaunlich eine tiefe Freundschaft empfunden. Das wird mich auch auf den Rest des Weges begleiten und mich vorantreiben.

Noch völlig bewegt von dem unerwarteten Treffen, setze ich mich nun doch in ein Straßencafé und denke über die Begegnung nach. Den Verkehr höre ich gar nicht mehr. Ich habe den Eindruck, als hätten sich zwei Ebenen oder Stimmen in mir gebildet oder sind plötzlich deutlich und laut zu Tage getreten. Die eine Stimme ist der Körper und der rationale Verstand, die zu mir sagt „bist du Verrückt, was machst du da? Wehe du kommst hier auf dumme Ideen. Denk an Familie, Job. Du hast Verpflichtungen.“ Die andere, das Herz, Seele, eine höhere Ebene flüstert mir zu „Dies ist dein Weg, dein Ziel. Setze deine Träume um. Befrei dich von den was dich bremst und zurückhält. In deiner Familie wirst du bestimmt Unterstützung finden“. Diese Stimmen habe wahrscheinlich schon lange in mir gesprochen, nur habe ich sie nie richtig gehört. Sie kämpfen und dieser Konflikt, bei dem ich mich gerade wie zwischen zwei Stühlen fühle, bin ich wohl selber der Verlierer. Ich sehe ein, dass nicht nur das Wandern und die Wege für mich wichtig sind. Diese heben mich aus dem Alltag und den Trott der mich zermürbt. Nein auch die Menschen, die ich auf diesen Wegen treffen darf, werden für mich immer wichtiger. Hier am Westweg sind es nur einige wenige. Doch es gibt andere Wege die voll mit solchen Menschen sind. Und ich will mehr und mehr ein Teil dieser Gemeinschaft sein. Ich habe von etwas gekostet, wie von einer verbotenen Frucht oder einer Droge. Etwas, dass mir mein jetziges Umfeld, ohne es abzuwerten, nicht geben kann. Es lässt in mich hineinblicken und wühlt auf. Und ich kann nicht genug davon bekommen. Es zerreißt – und das nach nur 5 Tagen.

Nichtsdestotrotz muss ich jetzt erstmal meine eigene Wanderung auf weltlicher Ebene fortsetzen. Im Hotel miste ich erstmal meinen Rucksack aus. Alles was ich nicht brauch schicke ich heute noch mit der Post nach Hause. Schon bin ich fast 2kg leichter. Das wird für die morgige Etappe helfen. Es erwartet mich der anstrengendste Anstieg auf dem Westweg. Noch schnell unter die Dusche und dann ab zum Essen. Nach den Abendessen und meinem täglichen Telefonat mit meiner Frau, das mich ein wenig wieder runterbringt und wahrlich guttut, geht es trotzdem noch immer ziemlich bewegt zur Nachtruhe. Ich hätte nicht erwartet, dass der Tag so emotional wird. Dabei laufe ich doch „nur“ einen deutschen Kultweg.

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