Westweg – Tag 10

Tag 10, Wiedener Eck – Kandern, 35km

„Wieder ein Jahr älter“ sag ich zum mir als ich im Spiegel mein verschlafenes Gesicht sehe. Die Zeit fliegt an mir vorbei. Egal. Etwas kaltes Wasser ins Gesicht und Sachen zusammenraufen. Heute steht das längste Stück meiner Tour auf dem Programm inklusive zweier Gipfel. Dem Belchen und dem Blauen. Da passt es, dass ich etwas früher als alle anderen Gäste im Hotel Frühstücken darf. Trotz meiner frühen Erkenntnis fühle ich mich heute hochmotiviert und stehe nach der Energiebetankung durch Brötchen und Co voller Tatendrang vor dem Hotel.

Morgendlicher Ausblick

Die ersten Kilometer vergehen somit auch wie im Fluge. Allerdings wird es merklich immer wärmer. Meine Wetter-App zeigt mir, dass es heute richtig warm uns schwül wird. Damit ist meine Etappe heute eigentlich zu lang. Nach dem Check der Karte sehe ich, dass zum Belchen eine Seilbahn hinaufführt. Ich brauche nicht lange um mich für die Alternative zu entscheiden. Das müsste schneller gehen und ich spare Kraft. Schließlich wären es rund 300 Meter steil hoch. Da gehe ich lieber 100 Meter zur Talstation runter. Der Weg führt entlang einer Straße, die aber nicht befahren ist, hinunter und prompt übersehe ich einen Abzweig. Das merke ich aber viel zu spät und stapfe somit weiter die Straße entlang. Sind nur 500 Meter mehr. Was soll’s.

Der Belchen von unten

Oben angekommen geht es über den Belchenpfad noch etwas weiter zum Gipfel. Mit jedem Schritt eröffnet sich die Fernsicht mehr. Bis letztendlich ein wahnsinniger Rundblick sich auftut. Es ist fantastisch. Viel besser als auf dem Feldberg. 360° unbegrenzte Freiheit und ich bis auf einen Fahrradfahrer allein mittendrin. Ich dreh mich im Kreis und kann mich nicht satt sehen. Es ist schwach diesig und die Sonne scheint vom blauen Himmel auf mich herab. Mich durchströmt ein absolutes Hochgefühl. Losgelöst vom allem Weltlichen. Ich verharre minutenlang und las alles auf mich wirken. Auch dem Radfahrer geht es wohl ähnlich. Später machen wir noch gegenseitig Bilder bevor jeder wieder seiner Wege zieht. Wer in den Schwarzwald kommt und das Glück hat, solch einen Traumtag zu haben, muss unbedingt hier hoch.

Auf meinem persönlichen Höhepunkt

Den Abstieg mache ich aber dann auch wieder zu Fuß. Genug mit Schummeln. Was auch einem anderen Wanderer zugutekommt. Nach einem zackigen Abstieg treffe ich auf ihn auf einer Bank sitzen tun sich die Beine reiben. Als wandernde Apotheke kann ich ihm etwas Schmerzgel anbieten. Dabei erzählt er mir, dass er von Ludwigsburg zum Ostweg gelaufen ist, um dann über Freudenstadt und der Alexanderschanze auf den Westweg zu wechseln. Also hat er auch schon ein gutes Pensum hinter sich. Da ich aber auf dem Belchen schon getrödelt habe, lauf ich zügig weiter. Kurz vor dem Haldenhof treffe ich auf den Fahrer der Gruppe aus Neustadt. Ich sagte ja bereits, der Schwarzwald ist ein Dorf. Am Haldenhof selbst würde ich gerne etwas trinken, aber leider hat der Biergarten noch zu. Ich warte etwas und obwohl es dann schon 10 Minuten nach der Öffnungszeit ist, macht niemand sich auf dies zu ändern. Man hört zwar Gerede aber mehr auch nicht. Ein wenig frustriert gehe ich unverrichteter Dinge weiter.

Gibt es da was Kaltes? Nicht für mich

Es geht in praller Sonne über Kuhwiesen bergan. Irgendwie scheint hier der Weg anders zu verlaufen als auf meiner Karte, oder ich habe einfach was übersehen. Oben an der Kreuzhütte eine kleine Rast und dann geht es in dem Wald. Immer am Hang entlang zieht sich der Weg zum Blauen wie Gummi. Er will einfach kein Ende nehmen. Ab der Egertenhütte wird der Weg dann richtig ekelig und die zunehmende Wärme gibt eine den Rest. Für die über mich fliegenden Paragleiter habe ich keinen Blick mehr. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit der Gipfel des Blauen vor mir auf. Den Turm darauf lasse ich links liegen und stürme in das Restaurant. Ein stilles Wasser, einen Eistee und ein abgepacktes Eis für über acht Euro ist echt heftig aber ich brauch jetzt was Kühles. Nachdem ich mich erfrischt habe kann ich auch den Blick nach Kandern, meinem heutigen Etappenziel, genießen.

Ab jetzt geht es nur noch bergab. Mal mehr, mal weniger aber meistens mehr. Das geht so richtig auf die Knie. Am Hexenplatz kommt man an einer urig eingerichteten Hütte vorbei. Wenn ich jetzt nicht mehr könnte, würde ich hier einziehen. Also, ich spiel schon mit dem Gedanken. Aber nein. Es wartet ein richtiges Bett in Kandern auf mich.

Fast bezugsfertig

Kurz vor der Sausenburg passiert das, was eigentlich nicht passieren sollte. Wie letztes Jahr im Harz geht mir das Wasser aus. Mein Verbrauch war auch sehr hoch. Das heißt nun die letzten drei bis vier Kilometer ohne gehen und das bei dem Wetter. Die Burg lasse ich deshalb auch aus. Mit letzten Reserven schleppe ich mich nach Kandern rein. Direkt zum Marktplatz in das nächste Café. Dort atme ich erst mal eine Liter Apfelschorle und einen Erdbeerbecher ein. Mein Ruhepuls liegt nach einer halben Stunde immer noch bei 110 und singt nur langsam. So bewege ich mich dann langsam auf meine heutige Pension zu. Der Pensionsname passt heute wirklich zu mir. „Zur Schnecke“. Familiengeführt, klein aber fein. Und wie ich später feststelle auch mit einer guten Küche. Am frühen Abend falle ich das letzte Mal erschöpft in ein fremdes Bett. Nach der morgigen Etappe geht es nach Hause.

So schnell wie ich

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