Westweg – Tag 3

Tag 3, Forbach – Ochsenstall, 21km

Die Nacht war gut und ich bin wie immer früh wach. Die wenigen ersten Schritte im Zimmer fallen zwar schwer aber mein erstes Gefühl sagt mir, dass mein Knie etwas weniger schmerzt als am Vortag. Nach Hause fahren ist somit für heute keine Option mehr und ich richte meine Sachen. Nach einem leichten Frühstück und einer sehr netten Verabschiedung von der Hotelchefin, mach ich mich auf den Weg. Allerdings nicht auf den Westweg, sondern auf den Weg in die nächste Apotheke. Davor treffe ich eine Mitwanderer wieder. Sein Name ist Wolfgang. Ihn hatte kurz auf der gestrigen Etappe kennengelernt. Er hat sich wohl diversen Mittelchen eingedeckt. Ich hoffe er hat mir was übriggelassen. Auch ich fülle meinen Vorrat an Blasenpflastern und Schmerzgel auf. Zusätzlich kaufe ich noch etwas Magnesium, da meine Wade ab und an beim Laufen einfach verkrampft. Hier mal mein Tipp. Man sollte schon ein paar Tage vor einer solchen Tour regelmäßig Magnesium zu sich nehmen. Ich habe es versäumt und musste leiden. Aber die Symptome gehen zum Glück schnell wieder weg.

Rückschau nach Forbach

So ausgerüstet starte ich den Aufstieg zur Badener Höhe. Heute solle es das ersten Male über 1000m hochgehen. Bis zur ersten Zwischenetappe, der Wegscheidhütte, ist es zwar nicht der schwerste Teil. Es zeigt mir aber schon was da auf mich die nächste Zeit zukommt. Umso mehr achte ich bei jedem Schritt auf mein Knie aber es verhält sich bisher ziemlich ruhig. Irgendwie habe ich das Gefühl, es wartet nur darauf in einem unachtsamen Moment sich und damit auch mich aus der Fassung zu bringen.

Deutsch-Italienisches Treffen

Nach der ersten Tortur lerne ich an der Wegscheidhütte einen Italiener kennen. Auch er will den gesamten Westweg gehen, wobei er zumeist auch Draußen wie Daniel übernachten will. Und auch er teilt spontan einen Snack mit mir. Sehe ich so verhungert aus? Mit meiner grundsoliden Statur kann ich mir das eigentlich nicht vorstellen, aber ich nehme danken an. So eine kleine Stärkung kommt tatsächlich genau richtig. Es zeigt sich wieder, und dies war auch schon im letzten Jahr mein Eindruck, es ist so leicht auf dem Weg nette Leute aus aller Welt kennenzulernen. Man ist sofort per „Du“ und unterhält sich über das Wandern und Gott und die Welt. Meine Feststellung ist, dass Leute, die solche Wanderungen auf sich nehmen, sich im Charakter zumeist recht ähnlich sind. Sie sind herzlich, offen und teilen gerne Geschichten und ab und an auch mal den einen oder anderen Snack. Der Italiener ist nicht nur deutlich jünger als ich, er ist auch schneller als ich unterwegs. Meine Masse hat halt ein höheres Trägheitsmoment, besonders beim Aufstieg. Trotzdem treffe ich ihn später immer wieder. Er macht ebent längere Rasten. Das muss ich mir unbedingt auch angewöhnen. Auch wenn nach einer solche Rast die Beine erst wieder in Gang kommen müssen, der Erholungsfaktor ist doch da und macht die Tour um ein vielfaches angenehmer. Denn es geht ja darum, mal wieder seinen eigenen Takt wiederzufinden und nicht fremdbestimmt durch das Leben zu hetzen.

Bald so trocken wie mein Mund

Vorbei geht es an der Schwarzenbachtalsperre. Die hat ziemlich Niedrigwasser. Es ist in den letzten Wochen einfach gesamt zu trocken. Die Auswirkungen sieht man nun hier. Ab hier geht es nun kontinuierlich bergauf. Am Anfang noch halbwegs moderat über Forstwege wird es die letzten 250m immer steiler und steiniger. Nicht nur dass ich nun anfange wie ein altes Walross zu schnaufen, meldet sich nun auch die rechte Ferse durch ein deutliches Prickeln. Diesmal halte ich gleich an. Socke runter und Blasenpflaster drauf. Das sollte halten. Da habe ich aber die Rechnung ohne meine Ferse und dem Pflaster gemacht. Vorweg, am Abend habe ich das Pflaster an der Fußsohle wiedergefunden und die Blase war natürlich gewachsen.

Am Seekopf bin ich nun das erste Mal über 1000m, genauer auf 1001m. Zur Badener Höhe ist es von hier aus nicht mehr weit und ich bin nach der Kletterei froh den Anstieg nun bewältigt zu haben und freue mich auf eine Rast. Vom Aussichtsturm winkt mir tatsächlich lustig der Italiener zu. So eine Ausdauer und Kondition hätte ich auch gerne. Es erübrigt sich zu sagen, dass ich auch diesen Turm nicht besteigen werde. Lieber setzte ich mich in die Sonne. Als ich so am Ausruhen bin, kommt plötzlich Wolfgang um die Ecke. War der nicht vor mir? Ja, war er, aber am Herrenwieser See hat er den falschen Abzweig genommen und sich schon über den Abstieg gefreut. Allerdings nur solange bis er gemerkt hat, dass er den falschen Weg eingeschlagen hatte. Also hat er nun ein paar Höhenmeter mehr in den Beinen als ich. Wir plaudern kurz und er macht sich auch schon alsbald wieder auf den Weg. Ich bleibe nach dem Vorbild des Italieners noch ein wenig und lasse meine Füße Freiheit bzw. andere meine Füße schnuppern.

Ohne mich

Es geht gemütlich zum Hundseck runter. Dies aber nur um Schwung für den nächsten steilen Anstieg zum Hochkopf auf 1032m zu holen. Schade das der nicht bis oben hält. Kurz vor dem Gipfel überhole ich Wolfgang. Man sieht deutlich an ihm, der Weg zehrt mit seinem Auf und Ab heute nicht nur an mir. Dagegen ist die Fernsicht heute wieder toll und das Wetter ein Traum. Im letzten Jahr hatte ich hier Sichtweiten von unter 20m. Nach dem Gipfel höre ich plötzlich hinter mir einen Plumps. Ich dreh mich um und sehe meine Kamera am Boden liege. Der Befestigungsstift, der die Kamera an meinem Gürtelclip hält, hat sich gelöst. Die ist dann natürlich genau auf einen Stein gepurzelt. Wenige Zentimeter davor und dahinter wären Sand und Gras gewesen. Dann hätte ich es aber wahrscheinlich auch nicht so schnell gemerkt. Bei der ersten Begutachtung sehe ich erst mal nix. Nur als ich sie anschalte fährt das Objektiv nicht mehr aus. Die Kamera ist genau auf den Rand des Ringes der Objektivführung gefallen und hat sich verbogen. Mist. Echt ärgerlich. Das schreit später nach meinem handwerklichen Geschick. Als Arzt habe ich ja bereits versagt, dann kann es nur besser werden. Zuvor geht es aber wieder etwas runter und dann über einen staubfreien Weg zum Ochsenstall hoch. Staubfrei stand jedenfalls auf den Wegweisern zum Ochsenstall, aber leider nicht Stein und Felsen frei. Also stolpere ich die letzten Meter bis zum heutigen Ziel hoch. Der Ochsenstall ist ein typisches Wanderheim. Rustikale Mehrbettzimmer, Gemeinschaftsdusche und -toiletten. Aber es ist gemütlich und die Ruhe mitten im Wald einfach göttlich. Das Wanderheim ist heute nicht sonderlich gut besucht, so dass ich ein Zimmer für mich alleine habe. Nach dem Duschen und dem abendlichen Wunden lecken, greife ich nochmal zu meiner Kamera und lasse mein Schweizer Vielzwecktaschenmesser spielen. Im Gegensatz zu meinen Wehwehchen, bekomme ich das Ding wieder zum Laufen.

Da ging die Kamera noch

Später sitze ich in der Gaststube bei einem Maß Bier (es wurden zwei) und Kässpatzen. Ein älter rüstiger Herr hat sich zwischenzeitlich zu mir gesetzt. Ich schätze er ist so um die 80, fährt aber immer noch mit dem Fahrrad durch den Schwarzwald. Zwar ein E-Bike aber meine Hochachtung hat er. Ich hoffe, ich bin später auch noch so fit wie er. Wolfgang, der auch hier untergekommen ist, gesellt sich kurze Zeit später zu uns. Man trifft sich halt immer wieder. Der ältere Herr erzählt aus seine Leben. Wir hören gebannt zu wie er zusammen früher mit seinen Kameraden und seiner Frau durch die Berge zum Klettern gezogen ist. Es ging über Klettersteige, auch mal ohne Sicherungen die Berge hoch und Biwakieren in den Alpen. Dies bis ins hohe Alter. Nun da seine Frau nicht mehr ist und auch seine Kameraden nicht mehr leben, reist er mit dem Rad durch den Schwarzwald. Fazit: Wandern, Klettern und ausdauernde Bewegung in der freien Natur halten auf jeden Fall fit.

Zum Wohl und gute Nacht

Zum Abschluss mach ich auf meinem Zimmer nochmal einen Körpercheck. Das Knie hat gottseidank mitgespielt. Die Blasen sind zwar da und auch nicht gerade klein aber kribbeln nur noch bergauf. Ich hoffe das hält auch morgen so weiter an. Also Fenster auf, die Waldluft ins Zimmer lassen und Augen zu.

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