Westweg – Tag 9

Tag 9, Hinterzarten – Wiedener Eck, 31km

Ich habe Geburtstag und die ersten Glückwünsche trudeln auf mein Handy ein. Heute geht es zur Feier des Tages hoch zum Feldberg. Die Nacht war hingegen leider nicht so gut. Das Zimmer ist viel zu warm um entspannt zu schlafen. Ich brauch es immer gut gekühlt. Selbst im Winter lasse ich mein Schlafzimmerfenster offen. Irgendwie habe ich heute auch keine Lust auf ein Frühstück und mache mich direkt auf den Weg. Es ist Sonntag und herrlich ruhig. Die Feierwütigen schlafen ihren Rausch aus und der Rest, der nicht arbeiten muss, erklärt sich solidarisch.

Früh ist die Welt noch schön

Ich steige in bereitgestellten Zug der mich nach Hinterzarten zurückbringt ein. Es ist noch ein wenig Zeit bis zur Abfahrt, da sehe ich ein Mütterchen am Ende das Bahnhof auftauchen. Ich sehe es erst nicht, aber als sie den Bahnsteig entlanggeht und dabei komisch in der Gegen rumschaut, erkenne ich das da was nicht stimmt. Das Mütterchen hat nur ein Nachthemd an, eine merkwürdig geblümte Mütze, einen scheinbar leeren Rucksack der ihr schlapp am Rücken hängt und Hauslatschen an. Aber einen soliden Wanderstock hat sie. Nun merke ich auch, dass das Zugpersonal irgendwie nervös wird. Einer nimmt sich dann letztendlich dem Mütterchen an. Scheinbar ist die alte Dame leider geistig nicht mehr auf der Höhe und ist irgendwo ausgebüxt. Wenn ich daran denke, dass auch ich oder einer meiner Liebsten so……..“neeeee“, ich will das gar nicht weiterspinnen.

Am Bahnhof Hinterzarten hole ich mir nun doch noch ein kleines schnelles Frühstück und eine großen Kaffee to go. Zusätzlich ein Stück Kuchen als Geburtstagleckerei heute Mittag auf dem Feldberg. Es ist zwar noch recht früh aber trotzdem ist es schon drückend warm. Das kann heute ja heiter werden und wird mir den ein oder anderen Liter Schweiß aus den Poren treiben. Der Weg steigt stetig an und bei der Rufenhütte muss ich mich entscheiden, welchen Weg ich nehmen will. Der Emil-Thoma soll angeblich stellenweise recht steil sein und der Blick auf den Feldsee ist laut Infos aus den Netz, nicht so gut. Die Variante verspricht da eine entspannte Fahrt mit der Feldbergbahn. Ich können mir zu meinem Feiertag und wegen dem Wetter heute mal eine kleine Schummelei und entscheide mich dafür.

Noch kann ich

Bis zum Feldsee ist es nicht weit. Der liegt, tief von drei Seiten eingekesselt, am Fuße des Feldberges. Hier ist es echt angenehm kühl. Zur Feldbergbahn ist es laut Karte nur noch ein Katzensprung aber wie heftig es jetzt hochgeht, habe ich nicht gesehen. Über 200 Höhenmeter auf kürzester Instanz sind zu überwinden.  200 Meter Schweiß und Atemlosigkeit. Ich bin aber nicht der einzige der hier wie eine Schnecke hochkriecht.

Schön kühl

Ich bin erleichtert als die Kraxelei endlich ein Ende hat und ich die nächste Hölle eintauche. Mich erwartet zu einem von Touristen überlaufenen Platz noch architektonische Missbildung in Form eines Hotels. Echt ein hässlicher Klotz. Leider ist der Rest auch ziemlich zugebaut. Fix den Stempel geholt. Den gibt es diesmal nicht direkt am Westwegportal, sondern Touristeninformation. Ab geht es dann mit der Seilbahn entspannt hoch zum Bismarkdenkmal. Und jetzt werde ich berühmt, zumindest für ein paar Sekunden. Ich mach mich auf zum Feldbergturm. Der einzige Turm den ich voll besteige auf dieser Tour, denn er hat einen Fahrstuhl. Oben angekommen, gibt es eine Webcam und ein Freund digeriert per Telefon mich genau in den Aufnahmebereich. Einmal lächeln und winken zu Millionen.  So schnell wie mein Ruhm singt geht es auch wieder mit dem Fahrstuhl runter. Es ist kurz vor Zwölf und ich will mich pünktlich am Treffpunkt mit Luca auf dem Gipfel einfinden.

Der nahe Regen ist zu erahnen

Eine Minute vor zwölf stehe ich an der höchsten Stelle des Schwarzwaldes und mache es mir auf einer der Bänke bequem. Beim Warten auf Luca genieße ich die Fernsicht. In der Ferne ziehen dunkle Wolken auf und an einigen Stellen sieht man die Regenschleier. Während die Regen immer näher ziehen ist von Luca leider weit und breit nichts zu sehen. Ein wenig enttäuscht verputze ich mein Stück Kuchen. Es wird Zeit weiterzuziehen. Der Himmel wird immer dunkler und in der Ferne hört man ein Grollen. Gewitter im Freien find ich nicht so toll, also gebe ich Gas auf der Suche nach einem Schutz. Bis dahin sind es aber noch mehr als zwei Kilometer. Ein paar Tropfen fallen auf mich. Das Donnern rückt immer näher. Ich zieh den Kopf ein und werde immer schneller. Kurz bevor ich die Stübenwasen, ein kleines Lokal am Wegesrand, erreiche ist der ganze Spuck schon wieder am Abklingen.  Auf den Schreck genehmige ich mir erst mal eine Brause.

Jetzt scheint das Wetter wieder halbwegs stabil und für mich geht es Richtung Notschrei weiter. Es geht dabei vorbei am Nordic Center. Einer großen Biathlonanlage, auf der auch internationale Wettkämpfe ausgetragen werden. An der Schießanlage erkenne ich das erste Mal wie weit weg und extrem klein die Ziele sind. Die würde ich nicht mal treffen, wenn ich absolut entspannt wäre und die Athleten haben beim Schießen einen Puls von 150 oder so. Das ist schon eine tolle Leistung das Gewähr dabei ruhig zu halten.

Hier wird scharf geschossen

Ein Stück weiter liegt das Hotel Notschrei. Da wollte ich eigentlich erst übernachten, aber der Preis hat mich total abgeschreckt. Auch wenn ich Geburtstag habe, ist das einfach zu viel. So darf ich mich eine echt fiese Stelle hochquälen. Inzwischen ist es richtig drückend geworden und der Schweiß hat keine Chance mehr den überhitzten Körper zu kühlen. Doch was jetzt kommt, da geh ich lieber ein Vielfaches von diesem Anstieg. Der letzte Abstieg des Tages stellt eine besondere Herausforderung an meine Trittsicherheit, Geduld und Zurückhaltung dar. Plötzlich fängt der Weg an immer schmaler zu werden. Aber nicht durch Büsche, Bäume oder Felsen, sondern von rechts und links rücken zwei Weidezäune mir auf die Pelle. Nicht nur zwei Reihen stromdurchflossener Draht raten auf Abstand zu bleiben, ganz oben ist auch noch ein elektrifizierter und rostiger Stacheldraht gespannt. Und dass auf beiden Seiten. Der Weg ist selten breiter als zwei Meter, ausgetreten und voller Steine. Jeder Zeit kann man auf der kilometerlangen Strecke stolpern und in die aufgestellte Menschenfalle stürzen.  Menschenfalle ist der richte Ausdruck, denn wie ich später Erfahre, ist diese Zaunanlage genau dafür aufgestellt. Der Landwirt, der für diese Abscheulichkeit verantwortlich ist, macht auch Jagd auf Mountenbiker. Mir verschlägt es einfach die Sprache über so viel Hass und Gewissenlosigkeit. Man braucht sich nur vorzustellen wen ein kleines Kind dort fällt. Wen er das hier lesen sollte, falls er lesen kann, ich wünsche ihm, dass er sich in seiner eigenen Untat auf ewig verfängt und 10.000 Volt durch seinen Körper fließen, während sich der verdreckte Stacheldraht immer tiefer in seine Haut gräbt.

TOR!!!!

An meinem Zielort steht dann noch das zweite Westwegportal des Tages. Beim Stempeln komme ich mit einer Dame ins Gespräch und lasse mich über meine bisherige Leistung bewundern. Das beruhigt meine Seele und macht ich ein wenig stolz. Zum Abschluss der Tour gibt es noch eine tolle Unterkunft, ein sehr gutes Essen und um mir selbst zuzuprosten, einen 15 Jahre alten Single Malt Whisky. Trotz allem ein schöner Tag.

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